Zehn Songs über das Warten und Vermissen

What is the opposite of two? A lonely me, a lonely you. ~Richard Wilbur

 

Die Sonne strahlt und wärmt unsere Herzen und Gemüter. Nicht nur die Natur steht nach dem langen Winter endlich in voller Blüte, sondern auch unser Gefühlshaushalt. Höchste Zeit also den hormongeschwängerten Frühlingsgefühlen einen Soundtrack zu widmen. Daher gibt es diesmal von mir eine persönliche Top Ten der schönsten Songs über das leidige Vermissen, das romantische Warten und die große Sehnsucht.

1. Radiohead – „Thinking About You“
Sicher nicht der aufregendste, berührendste oder kreativste Song der Band aus Oxford, aber immer noch ein All-time Favorite von mir, der 1993 auf dem Debüt Pablo Honey erschienen ist. Thom Yorkes eindringliche Stimme, das Harmoniumspiel Jonny Greenwoods und Lyrics, die eigentlich weniger romantisch sind, als es der Song-Titel vermuten lässt, denn eigentlich ist „Thinking About You“ ein Lied, das neben den Schattenseiten des Berühmtseins, Masturbation zum Thema hat. „But I’m playing with myself, and what do you care“, singt Yorke und ja, was bleibt dem wartenden, vermissenden Menschen schließlich auch anderes übrig? Kleine Randnotiz: Yorkes Mutter soll „Thinking About You“ zu ihrem persönlichen Lieblingsstück auserkoren haben… .

2. The Beatles – „I Need You“
Noch ein Song mit eigentlich relativ simplem Song-Arrangement, dafür aber groߟer Aussage. Gesungen und geschrieben von Beatle George Harrison, der beim Kreieren des Stückes möglicherweise an seine Erst-Frau Pattie Boyd gedacht haben mag, die er ein Jahr vor Erscheinen des Songs auf Help! (1965) kennengelernt hatte. „Please remember how I feel about you, I could never really live without you“ – schon ganz schön klischee-kitschig, aber gut, so war das wohl in den guten alten 60ern.

3. Elvis Presley – „You Were Always On My Mind“
Und wenn wir schon mal bei der guten alten Zeit sind, dann kommt gleich mal der nächste Klassiker. Geschrieben von Johnny Christopher, Mark James und Wayne Carson Thompson. Zigfach gecovert bescherte die Version von Country-Sänger Willie Nelson dem Song 1982 einen durchschlagenden Erfolg und weltweite Bekanntheit. Die erste Cover-Fassung (das Original sang Brenda Lee ein) wurde 1972 durch Mr. Presley anlässlich der Trennung von seiner Frau Priscilla aufgenommen und erschien als B-Seite der Single Separate Ways. Der King legt stimmlich so viel Herz- und Weltschmerz in dieses Stück, das mir persönlich seine Version von „Always On My Mind“ am besten gefällt. So oder so ein Song, der einen bittersüߟen Nachgeschmack hinterlässt.

4. The Coral – „Dreaming Of You“
In eine etwas tanzbarere Richtung geht es mit „Dreaming Of You“, einem Song der 2002 auf dem Debüt „The Coral“ der gleichnamigen Band aus England erschien. „What’s up with my heart when it skips a beat, can’t feel no pavement right under my feet„, stellt Sänger James Skelly in den ersten zwei Zeilen fest und trifft damit wohl einen Punkt, an dem wohl der ein oder andere von uns durchaus schon mal selbst stand. Im Video zum Song kämpft die Coral-Truppe gegen einen groߟen Braunbär, der vielleicht – achtung, jetzt wird es küchenpsychologisch – den Kampf gegen den manchmal übermächtigen Schmerz des Vermissens symbolisiert. Vielleicht fand die Band Bären auch einfach toll. „Dreaming Of You“ lenkt auf jeden Fall für knappe zwei Minuten vom sehsuchtsvollen Vermissen ab.

5. The National – „Slow Show“
Es sind eher die feinen Zwischentöne dieses brillant komponierten Songs, die das Lied zu einem einzig großen Gefühlskino machen. Weder Lyrics noch Song-Titel lassen zunächst auf eine besonders sehnsuchtsvolle Liebeserklärung schlieߟen, die The National hier vortragen. Der Hauptdarsteller „can’t pay attention to the sound of anyone“. Er fülhlt sich verloren, unbehaglich und allein auf einer öffentlichen Veranstaltung, die er von vornerein besser nicht besucht hätte. Er passt einfach nicht in dieses Bild und diese Situation. Bedeutungsschwangere Highlight-Textzeile auch hier: „Looking for somewhere to stand and stay I leaned on the wall and the wall leaned away.“ Und so sehnt sich unser einsamer Held nach Hause. Dorthin, wo ihm alles vertraut ist. Dort, wo sein Mädchen auf ihn wartet. Dort, wo er eine „slow dumb show“ für sie und sich abziehen kann. Wo er sein kann wie er ist, weil sie ihn so liebt wie er ist. Denn schlieߟlich ist sie seine Traumfrau, die all das jahrelange Warten wert war: „You know I dreamed about you for twenty-nine years before I saw you. You know I dreamed about you, I missed you for, for twenty-nine years“. Perfekt! „Slow Show“ befindet sich auf dem 2007er Album Boxer.

6. Mumford & Sons – „I Will Wait“
Die Folk-Rocker Mumford & Sons sprechen es hingegen explizit aus, dass sie warten werden. Worauf? In einem Interview mit dem Rolling Stone verriet die Band, dass der  Song das immense Unterwegssein nach dem Mega-Erfolg des Erstlingsweks Sigh No More reflektieren und auf das Warten und Vermissen der Beloved Ones in heimatlichen Gefilden verweisen sollte. „Well you forgave, and I won’t forget“ könnte natürlich auch ein Hoffen auf eine weitere (Beziehungs-) Chance sein. Wobei: Wer würde den Jungs bei einem solch leidenschaftlich vorgetragenem Song nicht so gut wie alles vergeben können? Spätestens bei der Banjo-Einlage ist doch alles vergeben, vergessen und vertanzt. „I Will Wait“ ist auf dem 2012er Longplayer Babel zu finden.

7. Tom Petty – „The Waiting“
„The Waiting is the hardest part“ konstatierten Tom Petty and The Heartbreakers 1981 als der Song auf das Album Hard Promises gepresst wurde. Petty selbst sei von etwas, das Janis Joplin einmal im Fernsehen gesagt habe, inspiriert worden. Der Song soll davon handeln, dass man manchmal eben auf seine Träume warten müsse und nicht genau wisse, ob sie wirklich jemals wahr werden. Kein Grund jedoch den Kopf in den Sand zu stecken, denn der Sänger selbst verriet einst: „I’ve always felt it was an optimistic song.“ Na dann.

8. The Killers – „Here With Me“
Mit The Killers war das ja immer so eine Sache in den letzten Jahren. Debüt-Album Top, Nachfolger war noch ganz okay, „Day & Age“ hingegen fiel bei den meisten Fans der ersten Stunde völlig durch. Von den Soloversuchen des Sängers Brandon Flowers mal ganz abgesehen. Dann erschien „Battle Born“ und spaltete erneut Kritiker und Fans in zwei Lager. Nun, mich selbst hat das Album positiv überrascht. Vor allem wegen dieses Songs. Und wegen dieser Zeilen: „Don’t want your picture on my cell phone. I want you here with me. Don’t want your memory in my head, no. I want you here with me.“ Herzerweichend schön.

9. John Waite – „Missing You“
Quasi die Mutter aller „Missing“-Songs. 1984 erschien das Stück auf Waites Longplayer No Brakes und wurde unter anderem 1996 von Tina Turner gecovert. Hauptthema: Die verlorene Liebe und der schmerzliche Weg des Darüber-Hinweg-Kommens. Natürlich negiert der Leidende seine wahren Gefühle zum Selbstschutz: „I ain’t missing you at all since you’ve been gone away, I ain’t missing you, no matter what the world might say“. Doch verrät er sich selbst, der Liebende, wenn er singt: „I hear your name in certain circles, and it always makes me smile.“ Episch.

10. The Velvet Underground – „I’m Waiting For The Man“
Lou Reed’s besungener Protagonist hingegen wartet mit 26 Dollar in der Hand auf seinen Drogen-Dealer, der unnöigerweise die Angewohnheit hat ständig zu spät zu sein. Nicht sehr romantisch oder gefühlvoll, aber dennoch sehnsuchtsvolles Warten auf eine Art Sinnesbefriedigung. „I’m Waiting For The Man“ ist auf dem Kult-Bananen-Album The Velvet Underground & Nico zu finden und ein guter Wegführer zurück aus der Traum-Romantik-Welt.

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